Vor diesem Hintergrund stellt die MIT folgende Forderungen:
- Die Schuldenbremse in Deutschland darf nicht aufgeweicht werden. Vielmehr bedarf es gerade jetzt eines klaren Bekenntnisses zur Schuldenbremse als Signal für eine solide Haushaltsführung an die Wirtschaft und den Kapitalmarkt, aber insbesondere auch an die Europäische Union. Mit einer klugen, wachstumsorientierten Wirtschafts-, Steuer- und Ausgabenpolitik wird es der deutschen Volkswirtschaft gelingen, die Corona-bedingte Schuldenlast unter Einhaltung der Schuldenbremse wieder abzubauen.
- Die Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, wie sie die Schuldenbremse seit über zehn Jahren gewährleistet, müssen nach der aktuellen Notlage beibehalten werden. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbegrenzung sieht für Notlagen wie der aktuellen Pandemie Ausnahmen in der Anwendung der Schuldenbremse vor. Deshalb konnte der Bundestag für 2020 einen Nachtragshaushalt mit einer maximalen Kreditaufnahme von 218 Mrd. Euro und für 2021 mit 180 Mrd. Euro beschließen (wobei 2020 letztlich lediglich 130,5 Mrd. Euro in Anspruch genommen werden mussten). Ob auch für den Bundeshaushalt 2022 die Ausnahmeregel beschlossen werden muss, hängt vom Verlauf der Pandemie und der Stärke der wirtschaftlichen Erholung ab. Spätestens ab 2023 sollten die Vorgaben der Schuldenbremse wieder uneingeschränkt gelten.
- Die Tilgung der von der Regel abweichenden Neuverschuldung sollte flexibilisiert werden, um prozyklische Effekte in den vom Bundestag zu beschließenden Tilgungsjahren zu vermeiden. Bisher legt der Tilgungsplan fixe jährliche Tilgungsbeträge fest, unabhängig von der tatsächlichen jeweiligen konjunkturellen Entwicklung. Daher sind in der aktuellen Tilgungsplanung prozyklische Effekt nicht auszuschließen, die dann einer wirtschaftlichen Erholung zuwiderliefen. Möglich wäre es, die Höhe der Tilgung am Verlauf der Schuldenstandsquote (Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)) zu orientieren.
Begründung:
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist ein voller Erfolg. Beschlossen unter dem Eindruck der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise 2008/2009 war und ist sie ein konsequentes und glaubwürdiges Signal für solide Staatsfinanzen und Generationengerechtigkeit. Die Finanzmärkte haben das Bekenntnis an eine verfassungsrechtliche Regelbindung mit sehr vorteilhaften Finanzierungskonditionen belohnt. Zum Ausdruck kommt dies auch in den weiterhin niedrigen Umlaufrenditen deutscher Staatsanleihen. Die Schuldenbremse und die tragfähigen öffentlichen Finanzen sind daher ein Fundament für das Wirtschaftswachstum sowohl in der letzten Dekade als auch in Zukunft. Die Behauptung, die Schuldenbremse verhindere Investitionen, ist durch die tatsächliche Entwicklung unserer Wirtschaft widerlegt, also ökonomisch falsch.
Die Schuldenstandsquote könnte Corona-bedingt zum Ende des Jahres 2021 bis auf ggf. 75% steigen – sie läge damit aber noch deutlich unter dem Wert nach der Finanzmarktkrise 2010 von gut 82%. Deutschland hat innerhalb eines Jahrzehntes mit der ab 2016 für den Bund greifenden Schuldenbremse die hohe Schuldenstandsquote wieder unter die Maastricht-Grenze von 60% zurückgeführt. Mit einem Bekenntnis zur Schuldenbremse setzt Deutschland damit erneut ein starkes haushaltspolitisches Zeichen für Europa und trägt erheblich zum Vertrauen in den Euro bei.
Die Schuldenbremse verhindert keine öffentlichen Investitionen. Seit der Finanzmarktkrise 2009 ist der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen des Bundes am BIP konstant geblieben bzw. in den letzten Jahren sogar leicht gestiegen. Zur Wahrheit gehört, dass Schwerpunktsetzungen im Bundeshaushalt Ergebnisse politischer Entscheidungen sind, die mitnichten von der Schuldenregel gebremst werden. Vielmehr stehen seit Jahren stetig steigende Steuereinnahmen zur Verfügung. Es fehlte also nicht an öffentlichen Mitteln für Zukunftsausgaben. Probleme bei zukunftsgerichteten Investitionen entstehen immer dann, wenn die Prioritäten bei den Ausgaben nicht bei solchen Investitionen gesetzt werden. Zudem bestehen bekanntlich erhebliche Defizite bei der Planung und Umsetzung von öffentlichen Investitionsmaßnahmen. Hier gilt es mit konkreten Verbesserungsmaßnahmen anzusetzen – und nicht bei einer Aufweichung der Schuldenbegrenzung. Eine Änderung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse würde den Interessen zukünftiger Generationen zuwiderlaufen. Höhere Schulden würden durch wachsende zukünftige
Steuer-, Zins- und Tilgungslasten die privaten und politischen Handlungsspielräume unserer Kinder und Enkel einschränken.
Die Schuldenbegrenzung des Grundgesetzes gibt auch in einer ökonomischen Extremlage klare Regeln für eine Art „Notfallplan“ vor. Im Falle einer außerordentlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht, eröffnet das Grundgesetz die Möglichkeit zur Ausnahme vom weitgehenden Neuverschuldungsverbot. Eine Notlage muss der Deutsche Bundestag explizit feststellen. In der aktuellen Corona-Pandemie haben die Parlamente diese Notlage für das letzte und für das laufende Haushaltsjahr konstatiert, weil die Corona-Krise erhebliche Auswirkungen auf die Haushalte sämtlicher Ebenen des Staates und auf die Sozialversicherungssysteme hat. Weil das Grundgesetz diese Notregelung vorsieht, konnten massive Ausgabeermächtigungen beschlossen werden. Sie sind notwendig, um zum einen gesundheitliche Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen und das gesamte Gesundheitssystem zu stützen. Zum anderen sind hohen Ausgaben auf allen staatlichen Ebenen erforderlich, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern.
Die Schuldenbremse gewährleistet ausreichende Flexibilität, sowohl um konjunkturunabhängig öffentliche Ausgaben langfristig planen zu können als auch für antizyklische Politikmaßnahmen. So ist für den Bund ein struktureller Verschuldungsspielraum von 0,35 Prozent des BIP pro Haushaltsjahr vorgesehen, da dem Bund die Aufgabe zufällt, in bestimmten Situationen konjunkturbeeinflussende Maßnahmen zu finanzieren. Beim Überschreiten der Defizitgrenze wird die eingegangene Neuverschuldung konjunkturgerecht über ein Kontrollkonto wieder abgebaut – ohne eine destabilisierende „Vollbremsung“. Zudem wird die Defizitgrenze um Konjunktureffekte bereinigt. Dadurch erlaubt die Schuldenregel im Falle eines Wachstums des BIP ausgehend von seinem Potenzialwachstum eine erhöhte zulässige Nettokreditaufnahme.
Eine weitere Stärke der Schuldenbremse ist: Sie bietet für den Bund nicht nur den beschriebenen Spielraum zur Kreditfinanzierung, sie schreibt auch sehr konkret die zukünftige Tilgung von heute aufgenommenen Krediten vor. So können sich – anders als in der Zeit vor der Schuldenbremse – erst gar keine hohen Schulden auftürmen mit den sich daraus ergebenden Lasten für zukünftige Generationen. Im Falle einer Ausnahme der Schuldenregel muss ein Tilgungsplan für den Teil der Kredite beschlossen werden, der den auch mit der Schuldenbremse zulässigen Grenzwert übersteigt. Für die konkrete Ausgestaltung des Tilgungsplans bestehen bisher keine formalen Anforderungen. Aktuell hat der Bundestag für die kommenden Jahre Vorgaben für eine jährlich fixe Tilgung beschlossen. Hier könnten prozyklische Effekte eintreten, wenn bei schlechterer Wirtschaftsentwicklung ein geringerer Verschuldungsspielraum besteht und die Tilgungsbeträge wie bisher dennoch konstant bleiben. Der Vorschlag des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für eine konjunktursensible Ausgestaltung der Tilgungspläne durch eine Orientierung an der Entwicklung der Schuldenstandsquote ist daher in Erwägung zu ziehen.
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